Wattenrat

Ost-Friesland

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Treibselentsorgung im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer gescheitert

Oberdeichrichter wollte Teek auf Salzwiese verkuhlen, Strafgesetzbuch spricht dagegen

Treibsel ist das, was das Meer nach größeren Fluten an Land spült. In Ostfriesland wird das Treibsel "Teek" genannt. Teek besteht aus pflanzlichem Material und Müll, und muss entsorgt werden. Das war auch schon vor der Einrichtung des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer so. Früher wurde Teek oft verbrannt, auch auf den Salzwiesen. Nun gibt es in Ostfriesland mehrere Teekdeponien, mit begrenzter Aufnahmekapazität. Jahrelang war relative Ruhe an der Sturmflutfront, 2007 und 2008 gab es aber eine Reihe von Kettentiden mit örtlich sehr hohem Teekanfall. Der Oberdeichrichter der Deichacht Norden, Giesbert Wiltfang, verantwortlich für die Deichsicherheit und die Teekentsorgung für einen bestimmten Deichabschnitt, kam auf die geniale Idee, das Treibsel in der Zwischenzone des Nationalparks zu verbuddeln, Müllentsorgung in einen Schutzgebiet also. Diese Nummer wurde als "Pilotprojekt" deklariert, um eine Verträglichkeitsstudie zu umgehen.

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Grünes Licht dazu gab es dazu vom niedersächsischen Umweltminister Sander (FDP), bekannt für seine Alleingänge bei der Umgehung von Schutzvorschriften. Keine Einwände kamen vom Nationalparkleiter Peter Südbeck aus Wilhelmshaven. Es ist allerdings völliger Unfug zu behaupten, wegen des "Pilotprojektes" bedürfe es keiner Verträglichkeitsprüfung. Das steht so nirgends, es ist eine bequeme Erfindung zur Umgehung von Genehmigungsverfahren. §34 des Bundesnaturschutzgesetztes (Verträglichkeit und Unzulässigkeit von Projekten, Ausnahmen) kennt keine "Pilotprojekte", wohl aber "Projekte", und die sind Verträglichkeitsprüfungspflichtig, wenn sie in Natura-2000-Gebieten ausgeführt werden sollen. Der in Rede stehende Salzwiesenbereich wurde bereits von schweren Fahrzeugen zerfahren, in einem Schutzgebiet! Hier wurde auf bauernschlaue Art versucht, eine bequeme und kostengünstige Müllentsorgung durchzuführen. Es gibt in Neuharlingersiel, in Leybuchtpolder und am Dollart Teekdeponien, die aber voll sind, also muss man sie erweitern. Schließlich wurde das Projekt vom Landkreis Aurich gestoppt.

Der Wattenrat hatte den Landkreis Aurich mehrfach wegen der Rechtsgrundlage für das Verbuddeln des Treibels im Nationalpark angeschrieben, aber nie eine Antwort erhalten. Schließlich erfuhren wir die Antwort aus der Presse.

Der Landkreis Aurich untersagte der Deichacht Norden das Vorhaben, auch mit dem Hinweis auf das strafrechtlich bewehrte Verbot, Abgrabungen im Nationalpark vorzunehmen. Nach Paragraf 329 des Strafgesetzbuches kann dafür eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren verhängt werden. Ein Oberdeichrichter wird an der Küste zweifellos dringender benötigt als im Knast. Sturmtief "Emma" hatte der bereits begonnenen Verkuhlung ein jähes Ende gesetzt und die Teekmassen wieder über das gesamte Vorland bei Upleward verteilt. Der "Ostfriesische Kurier" aus Norden berichtete ausführlich.

Teek Teek Teek

Wir zitieren aus dem "Kurier" vom 15.Februar 2008:

OSTFRIESISCHER KURIER, Norden

FREITAG, 15. FEBRUAR 2008 / SEITE 11

Pilotprojekt: Teek wird im Deichvorland verkuhlt

Entsorgung Umweltminister befürwortet Idee - Heute befasst sich der Landkreis mit dem Antrag der Deichacht

Die Idee kam Oberdeichrichter Giesbert Wiltfang nach dem Orkantief Tilo.

KRUMMHÖRN/ERT - Ab Montag sollen rund 3000 Kubikmeter Teek auf landeseigenen Salzwiesenflächen bei Upleward verkuhlt werden. Das teilte der Krummhörner Oberdeichrichter Giesbert Wiltfang dem KURIER auf Anfrage mit.

Wie er weiter informierte, wurde die Idee zu diesem Pilotprojekt nach der Sturmflut vom 9. November 2007 geboren, bei der allein in der Krummhörn rund 8000 Kubikmeter Teek an die Deiche gespült wurden. Auf den Teeklagerplatz des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) bei Greetsiel seien rund 2000 Kubikmeter gefahren worden. "Die konnten nicht mehr gebrauchen", blickt Wiltfang zurück. Damit stellte sich wieder einmal die Frage: Wohin mit dem Treibgut aus dem Deichvorland? Diese missliche Situation sei dem niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander bei einer Zusammenkunft der Interessengemeinschaft (IG) der Deichverbände in Ostfriesland und Friesland in Oldersum geschildert worden, so Wiltfang weiter. Er habe dem Umweltminister den Vorschlag gemacht, den Teek dort zu verkuhlen, wo er herkommt, nämlich im Deichvorland. "Daraus machen wir ein Pilotprojekt", habe Sander daraufhin entschieden. Noch während der Zusammenkunft habe er den Leiter der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer, Peter Südbeck, telefonisch darüber informiert. [...]. "Der Minister will es politisch, aber entscheiden muss es der Landkreis", sagt Claudia lang, Pressesprecherin beim Umweltministerium.

Ist eine UVP nötig?

Da es sich bei der Verkuhlung im Deichvorland um ein Pilotprojekt handele, sei keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nötig. Außerdem würden die Nationalparkverwaltung und der NLWKN als Fachbehörde in das Projekt eingebunden.

Der Wattenrat Ost-Friesland hingegen hält diese Art der Müllentsorgung in einem Schutzgebiet für rechtswidrig. Wattenrat-Sprecher Manfred Knake weist darauf hin, dass der Nationalpark im fragliche Bereich Flora-Fauna-Habitagebiet (FFH) und EU-Vogelschutzgebiet sei. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz sei eine Abfallentsorgung in diesem Umfang UVP-pflichtig. Ein solches Projekt passt nach Auffassung des Wattenrats nicht in ein potenzielles Weltnaturerbe, für das sich der Auricher Landrat Walter Theuerkauf als Vorsitzender des Nationalparkbeirates einsetzt.

Ostfriesischer Kurier,Norden, S.1, 26. März 2008:

Teek: Kein Verkuhlen im Vorland Deichacht Für Beteiligung des Landes Oberdeichrichter Giesbert Wiltfang fordert, dass sich das Land an den Kosten der Teekentsorgung beteiligt. krummhörn/ert -

Die Deichacht Krummhörn darf keinen Teek im Deichvorland verkuhlen. Der Landkreis Aurich versagt die Genehmigung für das entsprechende Pilotprojekt, das der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander bei einem Gespräch mit Deichverbänden in Oldersum befürwortet hatte (der KURIER berichtete). Der Krummhörner Oberdeichrichter Giesbert Wiltfang, der monatelang auf einen Bescheid gewartet hatte, verlangt nun vom Land Niedersachsen, dass es sich an den enormen Kosten für die Treibsel-Beseitigung beteiligt. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Deichacht Krummhörn bereit, den Störtebekerdeich vom Land Niedersachsen zu übernehmen (Seite 11).

Ostfriesischer Kurier,Norden, S.11, 26. März 2008:

Teek darf nicht im Deichvorland verkuhlt werden Deichacht Monatelang auf Genehmigung gewartet - Deichacht will Störtebekerdeich nicht übernehmen Nach Ansicht von Oberdeichrichter Giesbert Wiltfang soll auch das Land als Verursacher für die Teekentsorgung zahlen.

krummhörn/ert - Fast hätte sich der Krummhörner Oberdeichrichter Giesbert Wiltfang strafbar gemacht. Denn noch bis Dienstag letzter Woche war er davon ausgegangen, dass die Deichacht Krummhörn einen Teil der enormen Teekmengen, die von der Sturmflut vom 9. November 2007 an die Deiche getrieben wurde, im Deichvorland vergraben darf. Dieses Verfahren hatte er, wie berichtet, beim Treffen der Deichverbände in Oldersum im November dem niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander vorgeschlagen, der die Idee sogleich begeistert aufgriff. Die Deichacht stellte auf dessen Rat hin entsprechende Anträge beim Landkreis auf Verkuhlung der Treibselmengen im Binnen- sowie im Deichvorland. In einem Pilotprojekt sollte getestet werden, ob die außendeichs vergrabene Biomasse wieder hochgedrückt wird oder ob es sonstige Erdbewegungen gibt.

"Die Genehmigung kam und kam nicht", blickt Wiltfang zurück. "Das Ganze hat sich hingezogen bis Ende Januar; dann sind wir angefangen zu fahren." [...]

Aber auch die Umweltschützer - an der Spitze der Wattenrat - wachen mit Argusaugen über die Vorgänge im Deichvorland bei Upleward. "Ich halte diese Art der Müllentsorgung für einen eklatanten Verstoß gegen das Niedersächsische Nationalparkgesetz", schrieb Wattenrat-Sprecher Manfred Knake an den Landkreis Aurich. "Nach meiner Kenntnis wurde auch keine notwendige FFH-Verträglichkeitsprüfung nach Paragraf 34 des Bundesnaturschutzgesetzes durchgeführt." Bei der Verkuhlung im Deichvorland handele es sich um illegale Müllentsorgung; ein solches Abgraben in einem Nationalpark könne mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden. "Jeder wollte aus der Schusslinie", weiß der Oberdeichrichter, "und wir stehen dazwischen." [...]

 
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