Wattenrat

Ost-Friesland

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 291 (August 2008)

Ems: Dioxinfunde an der Ems beunruhigen Bevölkerung

Nach drei Wochen beginnt das Land Niedersachsen endlich mit der Ursachenforschung

Anfang August schreckten Meldungen über erhöht Dioxinwerte im Gras der beweideten Ems-Vorländereien auf. Später wurden überhöhte Dioxinproben in Schafslebern gefunden. Die Verwertung von Schafts- und Rindlebern wurde vom Landkreis Leer vorsorglich verboten. Vollmundig behauptete der der Vize des Wasser- und Schifffahrtsamtes im "Weser-Kurier": "Der Emsschlick ist sauber". Dennoch ließ die Behörde später Schlickproben auf Spülfeldern ziehen.

Der Wattenrat wies öffentlich auf Altlasten der Ems hin: Bereits 1982 betrieb die "Wintershall" eine Gas-Explorationsbohrung an der Ems. Bohrschlämme wurden bei Nüttermoor deponiert oder in die Ems eingeleitet. Die Chemiefirma Akzo-Nobel im angrenzenden niederländischen Delfzjil hat jahrelang Abwässer in die Bocht van Wartum (Dollart) eingeleitet. Akzo ist ein PCB-verarbeitender Betrieb. Es kann also nur eine grenzüberschreitende Ursachenforschung geben!

Von den"anerkannten" Naturschutzverbänden hörte man bisher in der Sache nichts.

Bilder (Fotos: Eilert Voß, Wattenrat):

Bohrschlammdeponie (Wintershall) bei Nüttermoor

Deponie unter Tideeinfluß

Wald auf ehemaliger Deponiefläche

Treibstoff-/Ölspuren im Petkumer Hafen

Akzo-Nobel Abwässer

Wir zitieren aus den Zeitungen, dpa/lni, 13. Aug. 2008:

[...] Für den Wattenrat, ein Zusammenschluss aus Naturschützern an der Küste, zeigen sich mit den Giftfunden nun die Folgen jahrzehntelanger Umweltsünden. Woher die Gifte stammten, bleibe zwar Spekulation. Mögliche Erklärungen gebe es aber genug. So habe der Landkreis Leer 1982 eine Bohrschlammdeponie im Überschwemmungsbereich der Ems bei Nüttermoor genehmigt. Der Wattenrat hat ihren Betrieb dokumentiert. Es seien Schlämme von Versuchsbohrungen aus dem Dollart direkt in die Ems geflossen. Heute wachse auf der Deponie ein Wäldchen.

Auch die Industrie sei ein denkbarer Verursacher. In Delfzijl auf niederländischer Seite des Dollarts habe die Chemiefirma Akzo Nobel in der Bocht von Wartum Flüssigkeiten eingeleitet. Akzo erzeuge Farben, Lacke und Klebemittel - Stoffe, bei denen das 1989 verbotene PCB zum Einsatz gekommen war. Die Naturschützer fordern daher auch Kontrollen auf niederländischer Seite. «Untersuchungen der Ems von Emden hoch bis Papenburg reichen da nicht aus», sagte ein Sprecher. Das deutsch-niederländische Gremium «Ems-Dollart-Region» biete Möglichkeiten, grenzüberschreitende Untersuchungen zu koordinieren.[...]

Weser Kurier, Bremen, 14. Aug. 2008:

Welche Fracht trägt die Flut auf die Felder?

Nach Dioxin-Funden an der Ems laufen die Untersuchungen auf Hochtouren

Von unserer Redakteurin Silke Looden

JEMGUM. Die Dioxin-Funde an der Ems bei Jemgum sind für den ostfriesischen Wattenrat keine Überraschung. "Der Fluss spuckt die Schadstoffe, die über Jahre eingeleitet wurden, im Deichvorland wieder aus", sagt Wattenrat-Sprecher Manfred Knake. Das Wasser- und Schifffahrtsamt in Emden hingegen sieht keinen solchen Zusammenhang. "Der Emsschlick ist sauber", sagt der stellvertretende Leiter, Günther Rohe.

Fest steht, dass das Landesamt für Verbraucherschutz erhöhte Werte in der Grassilage vom Flussufer gemessen hat. Etwa 15 Landwirte haben ihre Ländereien in dem 2,5 Hektar großen Überschwemmungsgebiet bei Leer. "Mit jeder Vertiefung springt die Ems häufiger über die Ufer und bringt noch mehr Dreck aus Delfzijl mit", sagt Umweltaktivist Eilert Voß aus Emden. In Delfzijl werden unter anderem Farben, Lacke und Klebemittel produziert. Voß hat Fotos gemacht von der "Brühe", die die Niederländer in den Dollart einleiten. "Außerdem ist da noch die Bohrschlammdeponie in Nüttermoor direkt gegenüber von Jemgum", sagt der Mann vom Wattenrat. "Wer weiß, was da alles für Gift reingekippt wurde ..."

"Spekulationen helfen uns nicht weiter", sagt der Sprecher im Landwirtschaftsministerium in Hannover, Gert Hahne. Er kündigt für heute eine Art Krisensitzung an. Die Experten des Landwirtschaftsministeriums, des Landesamtes für Verbraucherschutz und des betroffenen Kreises Leer werden heute zusammenkommen um das weitere Vorgehen zu koordinieren. Hahne: "Wir brauchen Ergebnisse."

Inzwischen wird nicht nur das Gras vom Flussufer auf Dioxine untersucht. Der Landkreis Leer lässt auch die Milch von Kühen und das Fleisch von Schafen testen, die das Gras gefressen haben. In der Milch jedenfalls sei bisher nichts gefunden worden, sagt Ministeriumssprecher Hahne. Das sei ein Indiz dafür, dass keine giftigen Stoffe in die Nahrungskette gelangt seien. Weitere Proben stünden aber noch aus. Gestern wurden zudem Aale ins Labor gebracht. Sie gelten als besonders wichtiger Indikator.

Günther Rohe vom Wasser- und Schifffahrtsamt hält die Dioxinbelastung an der Ems für ein "lokales Problem". "Wenn das Gift aus der Nordsee käme, dürfte doch niemand mehr darin baden", sagt er. "Das wäre eine Katastrophe für den Tourismus an der Küste." Auch Ministeriumssprecher Hahne glaubt nicht an die Verklappungstheorie. Sein Ministerium richtet den Fokus auf die Ems - bis nach Papenburg.

Dort hat die Meyer-Werft ihre Docks. Immer wieder beeindruckt sie mit der Überführung von großen Kreuzfahrtschiffen über die kleine Ems. Dafür wird der Fluss nun auch im Sommer aufgestaut. Sein Schlamm wird sich auf den Feldern ablagern - und neue Nähr- und Schadstoffe mitbringen.

Ostfriesen Zeitung, Leer, 27. Aug. 2008:

Auch im Hammrich wurden nun Schlickproben gezogen

Von Elke Wieking

Das Wasser- und Schifffahrtsamt Emden lässt die Spülfelder in Westoverledingen auf PCB und Dioxine untersuchen. Die Ergebnisse werden in einigen Wochen erwartet.

Westoverledingen - Auf den Spülflächen im Großwolder/Ihrhover Hammrich hat das Wasser- und Schifffahrtsamt Emden Schlickproben ziehen lassen, um sie auf Dioxine und Polychlorierte Biphenyle (PCB) untersuchen zu lassen. Das teilte der Projektleiter beim WSA, Tobias Linke, mit. PCB sind sind giftige, krebsauslösende Chlorverbindungen. Zuvor waren im Deichvorland der Ems Giftstoffe gefunden worden. Die Ergebnisse der Proben erwartet Linke erst in einigen Wochen.

Während das Wasser- und Schifffahrtsamt an anderen Stellen den Schlick nicht auf PCB untersucht hat, sei das beim Westoverledinger Schlickprojekt anders, so Linke weiter. Dort werde das gesamte Projekt, das 2005 begonnen hat, bis 2015 ständig begleitet. Deshalb seien fortwährend Schlickproben aus der Ems, vom Baggerschiff und von den Spülfeldern untersucht und dokumentiert worden. Ergebnis: "Bisher gab es keine Auffälligkeiten."

Ostfriesen Zeitung, Leer, 27. Aug. 2008:

Dioxin: Umweltministerium ist jetzt mit im Boot

Von Petra Herterich

Die Behörde betont, dass ein Messkonzept erarbeitet worden sei. Darin stehe, wo Bodenproben genommen werden sollen. Auch im Landtag war der Giftfund ein Thema - dort war von "Verharmlosung" die Rede.

Leer - Das Umweltministerium in Hannover geht in die Offensive. "Wir sind bisher nicht tätig geworden, weil es noch nicht um Ursachenforschung ging", betont Pressesprecherin Jutta Kremer-Heye. An dem Krisengespräch am Montag in Leer, in dem es um die PCB- und Dioxinfunde an der Ems ging, habe man außerdem sehr wohl teilgenommen: Dirk Post, Leiter der Betriebsstelle Aurich des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sei "auf Bitten des Ministeriums" bei der Sitzung gewesen. "Somit waren wir auch vertreten", erklärt Kremer-Heye. Diese Aussage sorgt beim Landkreis Leer allerdings für Erstaunen. Vertreter des Ministeriums hätten doch noch am Freitag angerufen und die Teilnahme abgesagt.

Wie auch immer: "Wir sind jetzt, wo es um Ursachenforschung geht, mit im Boot", erklärt Kremer-Heye auf OZ-Anfrage. Es sei auch nicht so, dass man bisher gar nichts getan habe. "Wir haben ein Messkonzept vorbereitet. Das liegt zur Abstimmung vor", berichtet Post. Darin werden unter anderem Stellen vorgeschlagen, an denen man Bodenproben nehmen könnte. "Es macht wenig Sinn, an den Deich zu rennen und wahllos Proben zu ziehen", so Post.

Im Landtag war der Giftfund an der Ems ebenfalls Thema. Laut Opposition hat die Landesregierung die Situation bisher "gezielt verharmlost". Sie habe ihre Pflicht vernachlässigt, die Öffentlichkeit zu informieren und die Verbraucher zu schützen, kritisierten Grüne und SPD.

 
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