Wattenrat

Ost-Friesland

- unabhängiger Naturschutz für die Küste -

Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 294 (September 2008)

Seevogelentölungsstation

Nun doch: "Kompetenzzentrum" statt Seevogelentölungsstation in Norddeich

Noch im Juni (siehe: "Aus für Seevogel-Entölungsstation in Norddeich") hatte Umweltminister Sander seine Meinung zum Seevogel-"Rehabilitatszentrum" in Norddeich geändert (siehe unten, Ostfriesen Zeitung vom 10. Juni 2008), sich die Auffassung der Wattenmeerstiftung und des Bundesumweltministeriums zu eigen gemacht und sich gegen die von der Seehundaufzuchtstation der Landesjägerschaft beantragten Fördermittel von 500.000 Euro ausgesprochen.

Nun sein erneuter Meinungswandel: Umweltminister Sander befürwortet jetzt ein "Kompetenzzentrum" in Norddeich. Die Landesjägerschaft in Niedersachsen betreibt die Seehundaufzuchtstation, die ein Touristenmagnet ist. Es darf vermutet werden, dass die einflussreiche Lobby der Landesjägerschaft in Niedersachsen in Verbindung mit der Tourismusindustrie weiter in Hannover gebohrt hat, um doch eine Seevogelentölungsstation, die jetzt "Kompetenzzentrum" heißen soll, zu bauen.

Der Wattenrat geht davon aus, dass dieses weniger den verölten Seevögeln nützen soll, deren Überlebensrate nach der Wäsche und Auswilderung verschwindend gering ist, als mehr der Imagepflege der Jägerschaft und dem Tourismus. Jäger in Niedersachsen schießen auch in Schutzgebieten häufig Gänse oder Enten und beunruhigen dadurch auch streng geschützte Arten in ihren Rastgebieten. Sie sind deshalb häufig in die Kritik des Naturschutzes geraten.

Mit einer Seevogelentölungsstation kann dieses Negativ-Image positiv geändert werden und sich die Jägerschaft als "Retter" darstellen, obwohl den verölten Tieren kaum damit geholfen wird. Die Überlebensrate gewaschener und ausgewilderter Tiere liegt bei ca. ein Prozent! Siehe dazu: "Überlebenschancen verölter Seevögel - sind Rettungsmaßnahmen erfolgreich? - Eine Literaturrecherche" (pdf-Datei, ca. 560 KB).

Der uninformierten Öffentlichkeit wird so vorgegaukelt, man könne die verölten Tiere "retten". Zudem werden diese Ölopfer auch noch touristisch gegen Eintritt vermarktet. Nur Ursachenbekämpfung wie doppelwandige Tanker sowie starke Kontrollen gegen illegalen Öleinleitungen auf See helfen letztlich den Seevögeln, nicht aber die qualvolle Wäsche der Tiere.

Wir zitieren:

Niedersächsisches Umweltministerium, Pressemitteilung 61/2008, 05. Sept. 2008:

Hannover. Umweltminister Hans-Heinrich Sander hat sich dafür ausgesprochen, die Seehundaufzuchtstation in Norden-Norddeich zu einem Kompetenzzentrum für den Umgang mit verölten Seevögeln zu ernennen. "Die langjährigen Erfahrungswerte und Ressourcen dieser Aufzuchtstation gilt es zu nutzen", betonte Sander. "Somit schaffen wir direkt an der Küste eine feste Anlaufstelle für die Behandlung von verölten und verschmutzten Meeresvögeln", sagte der Minister heute (Freitag) in Hannover.

Gleichzeitig haben die Bevölkerung und die unterschiedlichen Berufsverbände - wie beispielsweise die Jäger - einen verbindlichen Standort, die in der freien Natur aufgefundenen Seevögel unmittelbar und schnell in die Hände von Experten zu geben. In dem Kompetenzzentrum werde dann nach strengen Gesichtspunkten sorgsam über eine weitere Behandlung der Tiere entschieden. Ist hingegen eine Heilung nicht möglich, könnten die Vögel nach tierschutzgerechten Kriterien schnell von ihren Leiden erlöst werden.

Sander: "Es liegt nahe, von dem vorhandenen fachlichen Know-how zu profitieren und die Räumlichkeiten an dem küstennahen Standort Westerloog zu nutzen." Besonders Meeresvögel wie Lummen, Alken, Möwen und Meeresenten können schnell in Kontakt mit Ölklumpen und Ölteppichen geraten und durch die Gefiederverschmutzung schwere gesundheitliche Schädigungen erleiden. Um diesen Tieren unverzüglich und nachhaltig zu helfen, sei das Kompetenzzentrum für Seevögel schnellstmöglich zu realisieren, war aus dem Umweltministerium zu hören.

Ostfriesen Zeitung, 10. Juni 2008:

Keine Hilfe aus Hannover für verölte Seevögel

NATUR Wattenmeerstiftung lehnt finanzielle Förderung für geplante "Wasch-Station" bei Norden ab

Umweltminister Sander hat seine Meinung geändert: Aus dem Befürworter ist ein Gegner der Hilfsstation geworden. NORDEN/HANNOVER/LNI - Die Wattenmeerstiftung hat die geplante Hilfsstation für verölte Seevögel bei Norden (Kreis Aurich) abgelehnt. Der Beschluss gegen die von der Seehundstation in Norden- Norddeich beantragte Förderung in Höhe von einer halben Million Euro sei einstimmig gefallen. Das teilte der Vorsitzende im Kuratorium der Stiftung, Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), am Montag mit.

Die drei Leiter der Nationalpark-Häuser Baltrum, Dornumersiel und Juist hatten das Vorhaben heftig kritisiert. Sie beriefen sich auf wissenschaftlichen Untersuchungen, nach denen nur ein Bruchteil der verölten Tiere eine Behandlung überlebt. Sander sagte, die Stiftung halte die Kritik der Nationalpark- Häuser für begründet. Ende Mai hatte der Minister in einem Schreiben an den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland noch geantwortet, die Hilfsstation werde "aus Gründen des Natur- und Tierschutzes ausdrücklich begrüßt".

"Von der Fachebene war das anders gesehen worden", berichtete Sander am Montag über die revidierte Empfehlung seines Ministeriums, auf die er sich verlassen habe. "Nähere Untersuchungen" hätten vor der nun gefällten endgültigen Entscheidung zu einem anderen Ergebnis geführt. Die wissenschaftlichen Studien, auf die sich die drei Leiter der Nationalpark-Häuser berufen hatten, raten an, verölte Vögel sofort von ihrem Leiden zu erlösen. So geschieht es gesetzlich geregelt bereits in Dänemark. Auch das Bundesumweltministerium hatte dieses Vorgehen 2006 empfohlen. Nach dem Aus für die Hilfsstation solle nun auch in Niedersachsen überlegt werden, wie die verölten Vögel am besten von ihren Qualen erlöst werden können. Entsprechende Vorkehrungen sollen mit der Seehundstation getroffen werden, sagte Sander.

 
Zum Seitenanfang