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Meyer Werft: Schiffsüberführung "Celebrity Solstice"

"Wie ein Riesenzäpfchen, das eingeführt wird"

Wieder ein Riesendampfer, den die Meyer Werft die kaputte Ems runterschickte: Über 20.000 Schaulustige auf den Emsdeichen, ca. 150 Demonstranten gegen die Emszerstörung, das waren die Relationen des Umweltbewusstseins bei der letzten Schiffsüberführung. Die Schaulustigen sorgten für ein Verkehrschaos in und um Weener. Hier ging nichts mehr.

Verkehrschaos bei Überführung der "Celebrity Solstice", Foto: Schumacher

Unbekannte machten ihren Unmut über die Schiffsüberführung und die Emszerstörung mit einem riesigen, 120 Meter langen Schriftzug auf dem Emsdeich beim Ems-Stauwerk Luft: "Meyer an die Küste" lautete die einfache Botschaft. Darüber berichtete dpa bis in alle Winkel der Republik, nur die Zeitungsleser an der Küste erfuhren davon nichts.

Wie sehr die Ems zu einem "gelben Fluss" mit sehr hohem Schwebstoffanteil durch die ständige Baggerei für die Meyer Werft verkommen ist, zeigt das Luftbild.

Die Sauerstoffwerte der Ems, das Kriterium für die Genehmigung der Schiffsüberführung, wurden vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küstenschutz und Naturschutz (NLWKN) für "genügend" bewertet. Der NLWKN hatte den Sommerstau sowohl beantragt als auch selbst genehmigt. So etwas nennt man in Niedersachsen eine "schlanke Verwaltung", die eben alles erleichtert... Der WWF hatte tiefer in der Ems gemessen und dort katastrophale Sauerstoffwerte festgestellt.

Wir zitieren aus den Zeitungen:

Rheiderland Zeitung, Weener, online, 29. Sept. 2008:

"Zitat des Tages"

»Wie ein Riesenzäpfchen, das eingeführt wird«

Eine Schaulustige am Emsdeich von Weener beschreibt recht plastisch das »Durchschlüpfen« der »Celebrity Solstice« durch die schmale Öffnung der Friesenbrücke.

Rheiderland Zeitung, Weener, 29. Sept. 2008:

»Sonnenwende« nimmt Kurs auf Weltmeere

[...] Bei strahlendem Sonnenschein legt die »Solstice« von ihrem Geburtshafen bei der Meyer Werft ab und gleitet im Rückwärtsgang durch die Seeschleuse. Schon zu der Zeit geht rund um die Werft fast nichts mehr: Kolonnen von Autos kriechen im Schneckentempo über die umliegenden Straßen - ein Bild, das sich auf der gesamten Fahrt des Ozeanriesens wiederholt. Als beispielsweise das Schiff die Friesenbrücke passiert hat, schieben sich auch noch drei Stunden später wahre Blechlawinen durch den Weeneraner Innenstadtbereich und versuchen auf die Bundesstraße zu gelangen - ein nervenaufreibendes Unterfangen. »Rund um Leer ist alles dicht«, bestätigt auch ein Polizist auf der Wache in Leer gegenüber der RZ. [...]

Thomas Schumacher, Journalist aus Leer, brachte den Meyer-Gigantismus an der Ems in der taz auf den Punkt:

taz Nord, 30. Sept. 2008:

Arme Ems

Oppa dat schafft? Na irgendwie!

Die Papenburger Meyer Werft überführt das größte jemals in Deutschland gebaute Passagierschiff rund 42 Kilometer durch die zu enge Ems - und killt den Fluss VON THOMAS SCHUMACHER

Düsseldorf, Köln, Wesel und Darmstadt, die Welt trifft sich bei Frierenden. Um 13 Uhr kommt die Nachricht: Die Celebrity Soilitce (einzigartiger Sonnenuntergang) verlässt die Papenburg Meyer Werft. Auf den Deichen stemmen sich seit Stunden tausende Menschen die Beine in den Bauch.

Die Papenburger Werft, zweitgrößter Schiffsbauer Deutschlands, weltweit agierender Konzern für den Bau von Luxuskreuzfahrtschiffen zelebriert die Ausdockung seines neuesten Produktes. Die Camper, die schon seit Tagen hier sind, wissen Bescheid: "Dat kommt noch nich. Dat dauert. Wat Erwin?"

Keinem der durchnässten Deichkieker ist klar, dass sie Teil einer gigantischen Werbeveranstaltung sind.

Gespenstisch schiebt sich das Ungetüm zwischen die Deiche. Rod Steward plärrt aus den Lautsprechern des Luxusliners "Sailing", während zwei Schlepper das Schiff durch die engen Emskurven ziehen. "Ja, dat wollten wir miterleben", sagt eine Frau, ihr Mann filmt derweil das XXL-Schiff, 320 Meter lang, elf Stockwerke hoch. Der Koloss, das größte, jemals in Deutschland gebaute Passagierschiff schiebt sich durch die viel zu schmale und flache Ems.

Bei Leer passiert der Liner die Jan Berghausbrücke, die extra für diese Schiffe abgerissen und erweitert wird. "Oppa dat schafft?", fragen die Schiffsschauer. "Na. Irgendwie." Was nicht passt, wird passend gemacht. Das versprachen Ernst Albrecht (CDU), Gerhard Schröder (SPD) und Bundesverkehrsminister Tiefensee (SPD): "Bauen Sie nur ihre Schiffe, wir wollen nicht, dass sie hier weggehen." Weggehen soll Meyer gar nicht. Die Schiffe könnten in Emden zusammengeschraubt werden. Da lägen sie am tiefen Wasser, für die Ems sind sie zu groß. Meyer will nicht in die SPD-Hochburg Emden, in Papenburg wirkt dagegen die CDU. Eigentlich wäre das egal, denn kein Politiker in Niedersachsen wagt es, sich mit der Meyer Werft anzulegen.

Aktuell wird der Fluss durch ein Sperrwerk gestaut, damit die Celebrity überhaupt an die Nordsee gebracht werden kann. Der Stau in dieser Form ist eigentlich verboten. Deswegen wird jetzt eine "Probestau" veranstaltet. Der "Test" soll beweisen, dass die Ems überlebt, wenn sie länger gestaut wird als eigentlich vorgesehen.

Achim Stolz, Pressesprecher vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sagt: "Der Fluss hat genügend Sauerstoff. Aber die Auswertung unserer Daten dauert noch mindestens zwei Wochen."

Beatrice Claus vom WWF Hamburg hält dagegen: "Der NLWKN misst an den falschen Stellen und in der falschen Tiefe. Am Emsgrund sind neue, sauerstoffleere Schichten entstanden und durch die Stauungen ist die Versalzung des Flusses an einigen Stellen um das vierfache gestiegen. Durch die Stauungen wird die Ems gekillt." Genau dies sollen die Messungen der niedersächsischen Wasser- und Naturschutzbehörden widerlegen - in zwei Wochen.

Einen sehr ausführlichen Artikel über den Protest an der Ems verbreitete dpa. Dieser Artikel fand sich nicht in den Regionalzeitungen Ostfrieslands!

dpa-Artikel vom 24.09.2008:

"Früher war sie mal ein Fluss" - Widerstand gegen Ausbau der Ems

Von Heiko Lossie

Westoverledingen (dpa) - Die schmale Straße zwischen Leer und Papenburg schlängelt sich unaufhörlich von einer Kurve zur nächsten. Hier, am Südzipfel Ostfrieslands unweit der Ems, gibt es mehr Schafe und Kühe als Häuser. In den ufernah gelegenen Dörfern der Gemeinde Westoverledingen scheint die Welt noch in Ordnung. Doch der Schein trügt. Die kurvige Straße, wissen die Älteren in den Orten, folgte früher noch dem Verlauf der Ems - ein einst intakter Fluss mit Ufern voller Schilf, an denen die Bevölkerung badete. Heute ist Schwimmen dort lebensgefährlich. Der natürliche Verlauf der Ems entlang der kurvenreichen Straße ist Vergangenheit. Hinter schnurgeraden Deichlinien ist sie in ihr Bett gezwängt und wird unaufhaltsam vertieft - «vergewaltigt», wie es die Gegner des Flussausbaus nennen.

Die Natur an der Ems stirbt erwiesenermaßen. Es sei ein Tod auf Raten, mahnen Umweltschützer seit Jahren. Und er sei politisch gebilligt, das Sterben des Flusses ein Tribut an die Wirtschaft. Die Papenburger Meyer Werft baut im Emsland fern der Küste gigantische Schiffe, die nie durch die Ems passen könnten - würde der Fluss für die Überführungen nicht ständig angepasst. Am letzten Wochenende im September wird die Werft ihre «Celebrity Solstice» zur Küste schicken. Es ist das größte jemals in Deutschland gebaute Kreuzfahrtschiff, länger als drei Fußballplätze. Es fasst knapp 2900 Passagiere und bietet sogar einen riesigen Theatersaal, ein Kasino und echten Rasen zum Golfen.

Ausgedockt ist der Luxusliner bereits. Vom Ufer aus bei Westoverledingen ist das XXL-Schiff mit Blick nach Papenburg gut zu sehen. «Die Meyer-Pötte sind das Todesurteil der Ems», sagt Elfriede Oorlog, auf dem Deich stehend und zur Werft schauend. Die Bäuerin aus dem ostfriesischen Dorf Mitling-Mark ist eines der Urgesteine im Kampf gegen die Zerstörung der Ems. «Das hier hat nichts mehr mit einem Fluss zu tun», wettert Oorlog, Vorsitzende von «De Dyklopers» (Die Deichläufer), einem Verein zur Rettung der Ems. «Jetzt spürt man die Vibrationen wieder unter den Schuhen», sagt die 67-Jährige auf der Deichkuppe und zeigt zu einem Schiff. Das Baggerschiff «Hegemann II» schneidet das Flussbett in einer Kurve auf, um Boden abzusaugen.

Umweltschützer vom BUND stützen Oorlogs Kritik. Die Gewässergüte der Ems sei das Schlusslicht unter Deutschlands Flussmündungen, ist in einer aktuellen BUND-Broschüre zu lesen. Viermal ist der Fluss von 1984 bis 1994 für die Meyer Werft vertieft worden. Die Folge: Hundertmal mehr Schwebstoffe als in den Flussmündungen von Elbe und Weser seien in der Unterems zu finden. Die Flut drückt dank der Vertiefungen beinahe ohne Widerstand hinein. 1984 wurde die Ems für 5,7 Meter tiefe Schiffe passierbar gemacht, 1994 war ein Tiefgang von 7,3 Metern möglich. Für den Fluss ist das laut BUND katastrophal.

1981 - vor den Vertiefungen - habe es noch 35 Minuten gedauert, bis die Flut von Leer nach Papenburg gewandert war. Heute benötige die Gezeitenwelle keine zwei Minuten. Der hinaufgepresste Schlick aus dem Küstenbrackwasser wirke wie ein Leichentuch. Die Fischarten Maifisch, Nordseeschnäpel, Barbe, Bachforelle, Bitterling, Döbel, Gründling, Hasel, Karausche, Moderlieschen «und viele mehr» seien nicht mehr da, schreibt der BUND. Die Sauerstoffwerte schauten im Sommer zwischen Papenburg und Leer so dramatisch aus, dass «weder Fische noch Kleinstlebewesen dort überleben». Die Ozeanriesen aus dem Binnenland bedeuteten «das Todesurteil für das Flussleben».

Doch die Ems muss das aushalten. Dafür sorgt die Politik seit jeher. Als Mitte der 90er Jahre das aufwendige Ausbaggern an seine Grenzen stieß, musste ein neuer Weg her für die XXL-Schiffe: 1998 bis 2002 baute das Land für rund eine Viertel Milliarde Euro nahe Emden ein Sperrwerk. Das Bauwerk soll vorrangig vor Sturmfluten schützen. Vor allem aber ist es für die Meyer Werft das Tor zur Welt, weil es die Ems bis Papenburg so hoch aufstauen kann, dass sogar acht Meter tiefgehende Kreuzfahrtriesen die Küste erreichen. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) betreibt das Sperrwerk. Seinen Angaben zufolge ist das 476 Meter lange Bollwerk erst siebenmal bei Sturmfluten geschlossen worden. Mit Hilfe der Staufunktion hätten aber schon 14 Meyer-Schiffe den Fluss passieren können.

Der Schlick türmt sich indessen weiter. Harro Heyer, Leiter der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) in Hamburg, erklärt, rein rechnerisch fließe mit jeder Tide so viel Schlick herein, «als ob jedesmal 2000 vollgeladene 20-Tonner-LKW» hinaufführen und ihre Fracht abladen. Nur «ein Bruchteil» davon kehre mit dem zu schwachen Ebbstrom zurück. Bei der Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD) in Aurich heißt es, das Ausbaggern der Fracht koste jedes Jahr einen «hohen zweistelligen Millionenbetrag». Das Geld fließt seit Jahren. Das wollen auch Politiker, die aus der Region stammen und um den Konflikt an der Ems wissen. Garrelt Duin etwa, SPD-Chef in Niedersachsen, wuchs nahe Emden auf. Vor kurzem sagte er bei einem Besuch der Meyer Werft: «Es gibt eine klare Priorität, die wirtschaftliche Entwicklung dieser Region möglichst optimal zu befördern.» Die Ems sei eine Bundeswasserstraße, und die Entwicklung der Werft mit ihren 2500 Jobs müsse gesichert werden.

Wenn Elfriede Oorlog das Wort «Bundeswasserstraße» hört, rollt sie mit den Augen. Dieter Ertwiens kann diese Umschreibung der Ems auch nicht hören. «Früher war sie mal ein Fluss», sagt der Sprecher der Bürgerinitiative «Rettet die Ems». Auch er ist mit Oorlog auf den Deich gekommen und blickt zur Werft. «Die Arbeitsplätze dort sind sicher die mit Abstand am höchsten subventionierten Jobs der Republik», meint er. «Zählt man allein den Sperrwerksbau und die enormen Summen für das Ausbaggern zusammen, hätte man Meyer längst eine neue Werft an der Küste finanzieren können.»

Doch Ertwiens und Oorlog betonen, dass sie nicht gegen Hilfen für Arbeitsplätze seien. Die Folgen am Fluss machten sie wütend. «Meyers Standpunkt ist nachvollziehbar. Er nimmt, was er kriegen kann. Völlig klar aus Sicht eines Unternehmers», sagt Ertwiens. «Das Perfide ist nur, dass Meyer immer zuerst die Sachzwänge schafft, und die Politik es ihm dann wieder gerade biegt.» Und in der Tat hat die Werft längst Aufträge anvisiert, die sie nach geltendem Recht gar nicht ausführen könnte. Der Landkreis Emsland hat bereits einen Antrag für zwei Schiffsüberführungen im Juni 2009 und Juni 2011 gestellt. Bisher ist das stundenlange Aufstauen der Ems den Sommer über aber verboten - wegen kritischer Sauerstoffwerte. Und beim Aufstauen der Ems wird auch das Deichvorland überspült. Im Juni sei das fatal, fürchten Umweltschützer - dann ziehen nämlich seltene Bodenbrüter an der Ems ihren Nachwuchs groß. Ihre Jungen müssten elendig ersaufen.

Der NLWKN hat die Ems diesen August einmal zur Probe mehr als 30 Stunden lang aufgestaut. Der Sauerstoff sei stabil geblieben, hieß es. Ende September wird der Test wiederholt. Bei der Gelegenheit darf Meyer gleich seine «Celebrity Solstice» überführen. Die Umweltstiftung WWF hatte beim ersten Probestau parallel zum NLWKN den Sauerstoff kontrolliert - mit ganz anderen Ergebnissen. Beatrice Claus vom WWF sprach von «neuen Todeszonen» in der Ems. Und sie kritisiert noch mehr: Den Antrag für den Probestau hatte der NLWKN selber gestellt und selber genehmigt - in verschiedenen Abteilungen, wie die Behörde betont. Die Kontrolle der Sauerstoffwerte leistete auch der NLWKN. Für die Gegner ganzjähriger Schiffsüberführungen ist die Sache damit klar. «Meyer nimmt jeden Auftrag an und die Politik sorgt dafür, dass seine Musikdampfer zur Küste kommen», sagt Oorlog.

Unternehmer Meyer zeigt sich optimistisch. «Wir fragen uns aber schon, warum die Ems so hochgeschaukelt wird. Eines ist klar, wir machen keine Spenden an Umweltverbände», hatte er beim Treffen mit Duin gesagt. Als er Anfang des Jahres mit Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) den Grundstein für einen Ausbau der Werft legte, mit dem das größte überdachte Baudock der Welt entstehen soll, kündigte Meyer stolz an: «Wir werden in diesem Jahr 100 neue Arbeitsplätze und 100 neue Ausbildungsplätze schaffen.» Das Unternehmen sei bis in das Jahr 2012 ausgelastet - mit Aufträgen für Schiffe in einem Wert von insgesamt fünf Milliarden Euro. «Ich bin froh, dass sich die Meyer Werft nicht mit dem Gedanken beschäftigt, aus Papenburg und aus Niedersachsen wegzugehen», hatte Wulff erwidert. Seine Landesregierung wolle sich dafür einsetzen, dass die Ems auch im Sommer aufgestaut werden könne.

Die Ems hochschaukeln - dieser Vorwurf macht Elfriede Oorlog dann doch sichtlich wütend. Dabei wirkt die 67-Jährige, deren Nachname auf Holländisch «Krieg» bedeutet, eigentlich friedlich bei allem, was sie gegen die Naturzerstörung vorbringt. Sie verlässt den Deich und fährt zu ihrem Hof in Mitling-Mark. «Seit ein paar Jahren», sagt sie «versacken hier die Häuser durch die ewige Buddelei im Fluss.» 200 Meter entfernt von der Ems liegt ihr Haus, das seit 220 Jahren wie eine Eins gestanden habe. In ihrem Schlafzimmer hat sie an einer Ecke die Tapete abgerissen und den Verlauf der klaffenden Risse mit Datumsangaben versehen. «Wir stehen hier auf einer Endmoräne, die bis zur Ems führt», sagt Oorlog. 15 Häuser unterschiedlichen Alters versackten seit kurzer Zeit - die Ursache liege auf der Hand.

In Oorlogs Küche sitzt Eilert Voß. Er arbeitet im Wattenrat, einem Zusammenschluss von Naturschützern an der Küste, und wundert sich, dass nicht mehr protestieren. «Das hat auch damit zu tun, dass sich die Ostfriesen von ihrer Heimat entfremden», sagt der Emder. «Früher haben sie bei Sturmfluten noch einmal am Deich nach dem Rechten gesehen, um ruhig schlafen zu können.» Heute sei es unwichtiger, was mit dem Fluss passiere. «Dabei hat das viel mit Lebensqualität zu tun», sagt Oorlog, in deren Küche ein Rettungsring hängt mit dem Motto der Dyklopers: «Rettet unsere Ems und unser Ostfriesland». Heute spielten keine Kinder mehr am Deich, schwimmen sei unmöglich.

«Wir müssen retten, was übrig ist», sagt Voß und betont, dass es nicht nur Probleme in, sondern auch entlang der Ems gebe. Anfang der 80er Jahre lebte der Mitarbeiter der Vogelschutzwarte einen Monat lang auf einer gezimmerten Protestplattform in der Brackwasserbucht Dollart vor der Emsmündung. Dort demonstrierte er gegen Pläne eines Hafens in dem ökologisch sensiblen Gebiet. Der 60-Jährige hat noch Ideale. Er lädt zu einer Tour. Erste Station sind Spülfelder, auf denen das Baggergut der Ems aus Rohren landet. Ganze Seen seien so schon zugeschüttet worden. Doch vor allem seien es Bauern, die für den Ackerbau zu nasse Felder mit Emsschlick auffüllen ließen. Der trockne und ergebe eine fruchtbare Deckschicht über den einst zu feuchten Wiesen. «So ist das hier über Jahre mit tausenden Hektarn geschehen», klagt Voß. Der Vorteil für Landwirte sei ein Nachteil für die vielen Tiere, die ohne Feuchtwiesen nicht leben können.

Voß führt weiter in Richtung Emden. «Das ist das Tafelsilber der Ems», sagt er auf einem Deich in der Kurve vor dem Sperrwerk. «Der Hatzumer Sand.» Um diese Ems-Insel brüteten gefährdete Vögel. Wie auf Bestellung kann Voß durchs Fernglas eine Bekassine präsentieren - laut Roter Liste beinahe vom Aussterben bedroht. Auch Hunderte Grau- und Nonnengänse sind zu sehen. Voß geht zum Ufer. «Früher war hier ein Teppich aus Sumpfdotterblumen.» Doch die Ems steige immer leichter am Ufer hinauf. Sumpfdotterblumen sind längst dem Andelgras gewichen - eine salzliebende Pflanze, typisch für Inseln und Küste.

«Die Zerstörung an der Ems», sagt Voß, «zieht einen Rattenschwanz an Gefahren nach sich.» Der inzwischen schnell fließende Fluss trage etwa den Hatzumer Sand ab. «Wir laufen Gefahr, dass es hier bald nichts Schützenswertes mehr gibt. Das öffnet allem Tür und Tor», kritisiert der Wattenrat-Mitarbeiter und deutet auf eine Baustelle. Dort entsteht ein Abfuhrweg für Treibgut. «Der zusätzliche Bau von Wegen auf der ganzen Länge des Flusses vertreibt auch die letzten Vogelarten. Wir fürchten, dass man diese Wege für Touristen öffnet», sagt Voß. Nahe Emden sei das seit kurzem bereits der Fall, mitten in einem Naturschutzgebiet. Die Oberflächen der geplanten Wege müssten so gebaut werden, dass Radler sie nicht nutzen könnten, fordert Voß.

Elfriede Oorlog hatte zum Abschied in Mitling-Mark noch gesagt: «Ich wette: Bei der nächsten Vertiefung muss ein neuer Emstunnel her. Den kriegt Meyer auch.» Daher haben Oorlog und ihre Mitstreiter auch schon längst einen Namen für das, was andere Bundeswasserstraße nennen. «Meyer-Kanal» sagen sie. Früher war die Ems mal ein Fluss.

Wir zitieren aus dem Archiv: Herma Heyken ist heute Pressesprecherin des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), damals sprach sie für die SPD!

dpa/lni: Mo, 18. März 1991, 8:02:

«Wir werden die Baggerung nicht verhindern», macht aber SPD-Fraktionssprecherin Herma Heyken klar. Ökologie und Ökonomie müßten «unter einen Hut gebracht werden». Die größte und modernste Werft der Region dürfe man nicht hängenlassen.

 
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