Wattenrat

Ost-Friesland

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 301 (Dez. 2008/Feb. 2009)

Kegelrobben: "verwaist" oder gekidnapped?

Alle Jahre wieder: Heuler als Besucherattraktion

Alle Jahre wieder im Winter kommt es zu Zeitungsmeldung über angeblich "verwaiste" Kegelrobben auf den Touristeninseln. Kegelrobbenbabies werden, anders als beim Gemeinen Seehund, vom Muttertier nach der Geburt immer hochwassergeschützt abgelegt, weil die Jungtiere noch ein nässeempfindliches Embryonalfell tragen. Während dieser Zeit geht das Muttertier auf Nahrungssuche und kommt dann zum abgelegten Jungtier zurück. Wenn Menschen das Jungtier z.B. am Strand oder in den Dünen finden, traut sich die Mutter nicht zu ihrem Kind zurück, das Jungtier wird dann fälschlich als "verwaist" gemeldet, von der Seehundaufzuchtstation in Norddeich geborgen und anschließend gegen Bares zur Schau gestellt.

Durch den starken Besucherverkehr mit oder ohne Hund an den Stränden des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer gibt es kaum noch ungestörte Wurfplätze für Kegelrobben, hier haben die Tiere wenig Chancen, ihre Jungen großzuziehen. Anders ist es z.B. auf der relativ ungestörten Kachelotplate westlich der Vogelinsel Memmert, hier haben die Jungtiere gute Aussichten, ungestört groß zu werden.

Die Wurfplätze im Nationalpark müssten eigentlich großräumig abgesperrt und bewacht werden, aber Ranger fehlen. In den Niederlanden wurden gar vor ein paar Jahren Kegelrobbenbabies gezielt von Mitarbeitern einer niederländischen Seehundaufzuchtstation abgesammelt und "überschüssige" Tiere unter Umgehung von gesetzlichen Bestimmungen in die Seehundaufzuchtstation nach Norden-Norddeich "exportiert". Das steht in keiner Regionalzeitung, ist aber beim "Wattenrat" nachzulesen:

In Dänemark hat man sich auf Grund der Nachteile und Risiken für den Wildbestand in Absprache mit den dortigen Tierschutzverbänden entschieden, gar keine Heuler aufzuziehen:

In Dänemark findet weder eine Rehabilitierung (Aufzucht in Gefangenschaft) noch ein Wiederaussetzen von kranken Robben statt, da letztere für die Population in freier Wildbahn als gänzlich zwecklos aufgefasst wird.

Der Robbenbestand im Wattenmeer ist gesund und hat seit den 1970’ern stetig zugenommen, so dass ein Wiederaussetzen von bereits ausgesonderten Tieren sich schädlich auf die wilde Population auswirken könnte.

Viele der kranken Robben sind vermutlich Tiere, die genetisch bedingt den Kampf ums Dasein verloren haben. Normalerweise verendet etwa die Hälfte aller Jungen innerhalb ihres ersten Lebensjahres.

Das Wiederaussetzen von Heulern kann potentiell großen Schaden anrichten, da die Gefahr besteht, dass die ausgesetzten Robben ihre wildlebenden Artgenossen mit Krankheiten anstecken, die aus dem Robbarium herrühren. In Dänemark ist das Aussetzen von Robben deshalb untersagt.

Wir zitieren aus der Ostfriesen Zeitung, Titelseite, 27. Dez. 2008:

Dodo wartet in Norddeich auf Besuch

NATUR Erster Robbenheuler des Winters

LANGEOOG/NORDDEICH - Der erste Kegelrobben-Heuler des Winters ist kurz vor Weihnachten auf Langeoog gefunden worden. Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Seehundstation Norddeich entdeckte das verwaiste Tier am vergangenen Montag. Die drei bis vier Wochen alte männliche Kegelrobbe, die auf den Namen Dodo getauft wurde, brachte nur 13,4 Kilogramm auf die Waage.

Nach gründlicher Untersuchung, Erstversorgung und viertägiger Beobachtung stehe nun fest, dass Dodo großgezogen werden kann, berichtete Stationsleiter Peter Lienau gestern. Dodo kann ab Sonntag besucht werden. Die Station ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Silvester ist von 10 bis 13 Uhr geöffnet, Neujahr von 12 bis 17 Uhr.

Wir zitieren aus "Der Westen" online, 05. Februar 2009:

So viele Robbenbabys wie nie

Reise, 05.02.2009, Carl Cattarius

Kleine Säuger trommeln für Helgolands Tourismus - Sicherheitsnetz hat Lücken

Die Kinderstube der größten Raubtiere Deutschlands ist voll wie nie zuvor: 68 Kegelrobben wurden bis jetzt auf Helgoland geboren - zehn mehr als in der gesamten vergangenen Wurfsaison. Etwa alle sechs Stunden tauchen die Mütter auf und säugen die Jungen, die nach der Geburt zwei, drei Wochen nicht schwimmen können - und der Neugier der Menschen schutzlos ausgeliefert sind. Die Tourismusplaner werben gezielt damit: Gäste könnten "den Tieren recht nahe kommen", so Tourismusdirektor Klaus Furtmeier, der Vorwürfe zurückweist, damit Unruhe in die Krabbelstube zu bringen. Zwar kommen pro Tag "einige hundert Neugierige", die kostenlos bis auf 20 Meter Abstand zu den Tieren geführt werden. Doch auf der Insel wisse man um das Ruhebedürfnis der kleinen Säuger. Stets seien Wächter im Einsatz, um zu nah heranrückende Touristen auf die schädlichen Folgen hinzuweisen.

Doch das Sicherheitsnetz "hat Lücken", gibt Furtmeier zu. Immer wieder pirschen sich Besucher bis auf wenige Meter an die Babys heran, die erst mit 50 Kilogramm Gewicht ins Meer können: Dann ist die Speckschicht dick genug - und das Fell in der Lage, Wasser abzuweisen. Bis dahin müssen sie über die besonders nährstoffreiche Muttermilch täglich bis zu zwei Kilogramm zunehmen - was aber nur gelingt, wenn sie regelmäßig gesäugt und Mutter und Nachwuchs dabei nicht gestört werden.

Dass der Säugerhythmus immer wieder durcheinander gerät, liegt am großen Interesse der Touristen - auch angelockt von den Inselwerbern, die gezielt Reklame mit dem "Kegelrobben-Watching" machen. Neuerdings werden sogar Patenschaften für Jungtiere im Wert von 50 Euro vergeben.

Die unfreiwilligen Werbeträger sollen helfen, die Wintersaison besser auszulasten, nachdem der Reisestrom Deutschlands einzige Hochseeinsel von Jahr zu Jahr spärlicher umspült. Auch 2008 kamen wieder weniger Touristen und Ausflügler: 313 700 wurden gezählt - 20 000 weniger als in den zwölf Monaten zuvor. 2003 wurden sogar noch 563 000 Besucher auf Helgoland registriert, aber deutlich weniger Robben geboren: Acht waren es im Winter damals. Dass es immer mehr werden, liegt vor allem an der perfekten Aufsicht eines Naturschutzvereins: Vier Leute von Jordsand e.V. kümmern sich mittlerweile während der Saison fast rund um die Uhr um die drolligen Werbeträger. "Die Kosten dafür", bestätigt Vereinsvorsitzender Uwe Schneider, "begleicht die Gemeinde."

 
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